Bald ist es wieder so weit: Die Startplätze für den Berlin Marathon 2018 werden ausgelost und ich kann endlich aufhören tausend Daumen für meine Lauffreunde zu drücken.

Eine Handvoll Menschen, die ich kenne, warten darauf, dass für sie eine ganz besondere Challenge beginnt. Ist schon irre: Man bezahlt eine Schweinekohle und bewirbt sich auf etwas, was einen am Ende wohlmöglich alle Kraft kosten wird. Da kann man sich schon mal fragen, ob wir sie noch alle beisammen haben.

So fühlte es sich auch für mich an. Genau um diese Zeit vor einem Jahr. Nun also ein Marathon und wenn, dann natürlich in Berlin. Ich liebe Berlin wie kaum eine andere Stadt und für mich stand immer fest: Wenn ich schon einen Marathon laufe, dann bitte gleich den ganz großen Zirkus. Das Anmeldeszenario im Netz geht einem ja erst einmal gut von der Hand. Ich war kurz geschockt über den Preis, den mich die Plackerei über 42,195 km kosten würde, aber hey. Einmal im Leben und wenn dann richtig. Danach hieß es dann warten, so wie für die lieben Läuferinnen und Läufer gerade in diesen Wochen, denn nur jede dritte Anmeldung bekommt auch einen Startplatz zugelost. Es gibt einfach zu viele Verrückte. Da gehen einem dann auch schon mal so Gedanken durch den Kopf, dass es auch gar nicht so schlimm wäre, wenn es dieses Mal doch nicht klappt. So, als wäre man dem Teufel eben noch einmal von der Schippe gesprungen. Oder man ergibt sich ganz dem Zufall: Das Schicksal entscheidet, ob ich mit dieser Challenge jetzt dran bin oder eben doch noch nicht. So ein ausgemachter Blödsinn! Ich hatte mich angemeldet, natürlich hoffte ich dann auch auf das Losglück und auf einen Startplatz.

Es gibt immer mindestens genau so viele Gründe für den richtigen Zeitpunkt wie gegen diesen. Immer wieder gingen mir Fragen durch den Kopf, ob ich das alles unter einen Hut kriege, oder ob ich lieber warten sollte. Aber warten bis, ja, bis wann eigentlich?

Dann kam auch schon die E-Mail: Glückwunsch, du bist dabei #beatberlin42! Oh toll, dachte ich. Dann sehr schnell auch: Ach du Scheiße, jetzt musst du es tun.

Ich habe direkt nach dem Abitur eine Ausbildung in der Gastronomie gemacht. Und man kann sagen, dass ich dort etwas gelernt und so verinnerlicht habe, als hätte ich es mit der Muttermilch aufgesogen. Es kommt auf die richtige Vorbereitung an. Es ging damals bei der Arbeit wirklich in aller erster Linie darum, für einen Abend, an dem in unserem Restaurant mehr Gäste als eigentlich nach Tischzahl möglich erwartet wurden, perfekt vorbereitet zu sein.

„Das oder die Mise en Place (Französisch, etwa an den richtigen Ort gestellt) ist zum Beispiel in der Gastronomie die Vorbereitung eines Arbeitsplatzes, sei es in der Küche, im Restaurant, auf der Etage oder an der Rezeption.“

Alles, jedes kleinste Detail musste an seinem dafür vorgesehenen Ort sein, nichts durfte dem Zufall überlassen sein und jeder Handgriff musste sitzen. Es hieß immer: die eigentliche Arbeit hast du mit der Vorbereitung. Wenn die passt, dann läuft der Rest von ganz alleine. Ich kann mich, obwohl es gefühlte Ewigkeiten her ist, noch genau daran erinnern, wie wir alle dann nach der ganzen Arbeit mit dem Mise en place wie angespitzt da standen und darauf warteten, wie die Hölle in Form von einem nicht enden wollenden Strom hungriger Messegäste in unser Restaurant hereinbrach. Ich habe dieses Bild und dieses Gefühl die ganze Zeit im Kopf gehabt. Schon direkt nach der Zusage für den Startplatz wusste ich: Jetzt beginnt die Arbeit. Jedes Laufbuch, jeder Blog über das Laufen beginnt damit, dass die richtige Vorbereitung über den Erfolg entscheidet. Wenn ich so darüber nachdenke, ist das nicht mit allem im Leben so?

Ich habe außerdem mal gelernt, dass man sich in wirklich wichtigen Dingen, Entscheidungen oder Fragen am besten Hilfe von den Menschen holt, die sich mit dem was man da machen möchte bestens auskennen. Profis eben. Und wenn man sich vornimmt, einmal im Leben einen Marathon zu laufen, dann sollte man sich vielleicht auch Hilfe von einem Menschen holen, der sich mit dem Laufsport auskennt. Und da gab es für mich nur eine Wahl. So oft habe ich ihm schon lauschen können, als er meinen Liebsten auf einige Halbmarathons, seinen ersten Marathon und unzählige andere Läufe vorbereitet hat, und ich habe schon damals gedacht: Wenn ich das mache, dann nur mit Axel und wenn der sagt, ich kann das schaffen, dann schaffe ich das auch. Ich habe schon einige Jahre dabei zugesehen wie, von außen betrachtet völlig mühelos, mein Liebster einen Haken nach dem anderen auf seinem von Axel ausgearbeiteten Trainingsplan gemacht hat und am Ende im Wettkampf fast punktgenau die anvisierte Zeit gelaufen ist. Das wollte ich auch, einen Plan, an den ich Haken machen kann. Und ich sage euch, das ist auch für den Kopf eine feine Sache. Denn man gibt damit ja schon auch ein kleines bisschen Verantwortung ab. Ich muss mir nicht selber Gedanken darüber machen, wann ich mit dem Training beginne und wie das Training aussehen muss. Ich kann mich noch genau an unseren ersten Gesprächstermin an unserem Küchentisch erinnern. Er schrieb „Sandra, Berlin Marathon 24.09.2017“ in sein Notizbuch, das vorne den glänzenden Aufdruck Masterplan hatte, und ich dachte: Ja, das ist jetzt der Anfang!

Ich habe dann so etwas Ähnliches gesagt wie: „Hier bin ich also. Ich mache alles was du sagst, aber mach du bitte, dass ich diese verdammten 42,195 km schaffe, ohne irgendwo auf der Strecke mitten in Berlin zusammenzubrechen.“ Und mit seiner einzigartig ruhigen Art und charmanten Ausstrahlung hat er nicht etwa gerufen: „Hey, klaro! Das machen wir. Tschakka! Du wirst sehen, du schaffst das. Das wird der Hammer. Ich sehe dich jetzt schon über die Ziellinie rennen!“ Nein, er hat einfach gesagt: „Ist gut. Einmal Marathontraining für Berlin. Machen wir.“ Und strahlte dabei, als hätte ich es schon geschafft.

Meine größte Angst war es, das Marathontraining zeitlich nicht managen zu können. Mit Job, zwei Kindern und einem ganzen Sack voll weiterer Verpflichtungen. Ich stufe mich als relativ stressresistent ein, vor allem wenn es um die Wurst geht. Aber kontinuierlicher Zeitmangel oder –druck machen mich schnell mürbe. Beim zweiten Termin wurden also Fakten geschaffen und konkrete Absprechen getroffen. Das echte Training sollte 12 Wochen vor dem Marathon beginnen, mit drei bis vier Läufen in der Woche und jeweils einer Trainingseinheit auf der Bahn für das Techniktraining (wir nennten es liebevoll Kordi) und die Intervalle für das Tempo. Bis es so weit war hatte ich mir vorgenommen erst einmal einfach so zu tun als wär nix. Aber das ging nicht. Nach der Auslosung am 30.11. starrt man schon Silvester um 0 Uhr anders in den Himmel, schaut sich das Feuerwerk an und denkt: Das wird ein besonderes Jahr, da hast du dir ganz schön was vorgenommen. Das Datum des Marathons spukte immer in meinem Kopf rum. Wohin geht’s in den Urlaub? Dahin wo ich gut laufen kann. Hast du Zeit und Lust, bei diesem oder jenem Projekt mitzumachen? Nein, da trainiere ich für einen Marathon. Selbst das Laufen fühlt sich auf einmal anders an, noch vor dem eigentlichen Trainingsbeginn. Immer wieder gingen mir die Zahlen durch den Kopf. Der Halbmarathon beim Paderborner Osterlauf war toll, aber ich dachte sofort: Oh Gott, das jetzt mal zwei! Und der Hermannslauf war auf einmal nicht nur der Hermannslauf, sondern für mich noch einmal eine Bestandsaufnahme um herauszufinden, was geht. Sogar unterwegs auf meinen Hausrunden rechnete ich jeden Lauf um und hoch auf 42 km.

Noch vor dem eigentlichen Trainingsbeginn habe ich angefangen, jeden Lauf, meine Anmeldung, meine Auslosung und dann am Ende auch jede einzelne Trainingseinheit auf Facebook und Instagram zu dokumentieren. Zugegeben, ich bin eine kleine Rampensau und würde mich eher als extrovertiert bezeichnen. Aber in diesem Fall hatte es auch noch einen anderen Grund: Ich wollte alle Schlupflöcher und Hintertürchen schließen. Ich wollte, dass es alle wissen und ich somit nicht klammheimlich hätte aufhören können. Ich wollte Druck aufbauen. Ich hatte die Idee, dass ich mit jedem einzelnen Post dafür sorge, dass nicht nur alle Facebookfreunde und Follower auf Instagram, sondern am Ende auch ich selber mein Vorhaben richtig ernst nehmen würde. Dass es ganz anders kam und am Ende ein ganzer Fanbus voller Menschen virtuell am Straßenrand in Berlin stand, ist eine ganz andere Geschichte.

Fortsetzung folgt…

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