Ach Kinners, was soll ich euch sagen. Es ist auch Wochen später und nach Durchsicht aller Fotos immer noch unsagbar schwer, das in Worte zu fassen, was ich in den 14 Tagen in Indien erlebt habe.

Ich habe meine ersten Versuche verworfen, nachdem ich drei Seiten getippt hatte aber quasi noch in der Ankunftshalle des Flughafens in Delhi stand. Ich verlor mich in Details, die mich dort allesamt so gefangen genommen haben, dass ich sie unbedingt erzählen wollte. Nicht weil sie so spektakulär sind, sondern weil ich glaube, dass sie in der Gesamtheit vielleicht ein ganz rundes Bild meiner Erlebnisse abgeben würden.

Aber ich habe aufgegeben: Es geht nicht, das muss man gesehen und erlebt haben. Und das ist ja wiederum auch ganz gut so, damit wir uns alle immer wieder schön aufraffen und unsere Stiefelchen schnüren, um die Welt zu entdecken und nicht nur darüber zu lesen.

Den rettenden Einfall hatte dann der beste Ehemann der Welt, der obendrein den besten Blog der Welt hat auf dem ich das hier nun veröffentlichen darf: Eine Liste. Ich liebe Listen und diese hier widme ich allen Menschen, die schon ein klitzekleines bisschen darüber nachgedacht haben den nächsten Urlaub mal nicht an der Ostsee zu verbringen.

Here she comes, die Liste …

> Schaut euch unbedingt mehr von der großen weiten Welt an!

Findet ihr es nicht auch toll wie Kinder, sich immer wieder offen, neugierig, wissbegierig und voller Tatendrang auf alles stürzen was ihnen irgendwie neu vorkommt? Ich könnte den Kindern stundenlang dabei zusehen, wenn sie neue Dinge für sich entdecken, ihre Augen leuchten und ihren Mund überhaupt vor Staunen nicht mehr zu bekommen. Meine reden dann ohne Punkt und Komma und fragen mir Löcher in den Bauch.

Indien // Ankunft in Delhi

Und genau so ging es mir in Indien. Ehrlich! Ich habe mich gefühlt wie fünf, große Augen gemacht, alles anfassen und dran riechen müssen und eine Millionen Fragen gestellt. Und es fühlte sich toll an! Es gab so unglaublich viel zu entdecken und ich bin beim Blick auf meine Fotos immer noch völlig überwältigt von der Fülle der Eindrücke.

> Verlasst euch auf euer Bauchgefühl, wenn es um die Auswahl des Reiseziels geht und hört nicht auf andere!

„Als Frau nach Indien? Du traust dich ja was! Nimm genug Imodium akut mit! Hast du auch alle Impfungen? Denk an die Malaria Prophylaxe und den Tollwutschutz! Kauf dir genug Imodium! Für zwei Wochen eine so weite Reise? Das lohnt sich doch gar nicht. Yoga kannst du doch auch hier machen. Hast du schon was gegen Durchfall gekauft? In so ein armes und dreckiges Land? Das ist doch kein Urlaub. Das wär mir zu stressig und außerdem hockst du da eh nur auf dem Klo, also nimm dir was gegen Durchfall mit und am besten auch Elektrolyte damit du nicht austrocknest.“

Ist echt wahr!

Auf Anfrage schicke ich euch gern mal meine Packliste, haha. Ich war ausgestattet bis an die Zehennägel. Jetzt kann ich darüber lachen. Vor der Reise fand ich das nicht so lustig.

> Gebt eurer Reise ein Thema!

Das Thema meiner Reise war definitiv in erster Linie Yoga. Ich praktiziere nun schon seit einigen Jahren Yoga und alles, was ich in Indien über Yoga, die Wurzeln des Yoga, den spirituellen Hintergrund, die Yogis, Gurus und Meister erfahren habe, machen für mich die Sache so richtig rund.

Wenn ich jetzt in meine Yogaschule gehe, dann habe ich nun endlich eine Ahnung davon, welche Lehre sich dahinter verbirgt und kann mit den Worten und Übungen unseres Lehrers viel mehr anfangen. Lieblingssatz:

„Die Atem- und Körperübungen sind nur die Saat, die Ernte erfolgt in der Stille.“

Indien // Yoga

Ich konnte auch für meine persönliche Yogapraxis wirklich entscheidende Dinge mit nach Hause nehmen und bin auch körperlich wieder etwas voran gekommen: Ich kann jetzt einen ansehnlichen Kopfstand, ein wenn auch noch wackeliges Rad und habe im Rhythmus eines wundervollen Mantras sage und schreibe 108 Sonnengrüße gemacht.

Wenn man sich so intensiv mit seinem Körper und seinen Fähigkeiten auseinandersetzt, dann kann man auch über sich selber noch einiges lernen. Mein Fazit: Das Yoga aus den meisten VHS-Yogakursen, Fitnessstudios und Yoga-Videos unserer westlichen Welt hat wahrscheinlich mit dem Ursprung des Yoga so viel zu tun wie die Pizza von Pizza Hut mit Italien.

> Stürzt euch kopfüber in die Fluten des (hier indischen) Lebens!

Indien ist tatsächlich so wie ich es mir vorgestellt habe: laut, warm, bunt, wuselig, völlig chaotisch und – ja,  zugegeben – auch nicht wirklich sehr sauber. Erstaunlich ist vor allem die Tatsache wie schnell ich mich an diese „Zustände“, die einem pingeligen Westler wie mir (Ich bin echt megapingelig, fragt den besten Ehemann der Welt!) eigentlich ein Graus sein müssten, gewöhnt habe. Schon am zweiten Tag kommt einem das alles gar nicht mehr so provisorisch, schmutzig und durcheinander vor. Am dritten Tag kauft man eben doch mal frisches Obst auf dem Markt, dann schält man es halt oder wäscht es mit Mineralwasser ab.  Am dritten Tag bummelt man mit drei blonden Frauen auch ohne männliche Begleitung abends noch ein bisschen durch den schon fast heimisch gewordenen Bezirk. Gern auch mit FlipFlops, obwohl man dann mangels jeglicher Beleuchtung nicht mehr genau sehen kann, wo man hintritt.

Wir haben auch so richtig schöne„Frauensachen” gemacht: Wir waren tüchtig indisch shoppen, haben Saris, Tücher und Schmuck gekauft, einen indischen Kosmetiksalon besucht, uns in einer ayurvedischen Apotheke (so to say) untersuchen lassen, eine indische Familie zu Hause besucht, einen indischen Jungen quasi zur Schule gebracht und jeden (wirklich jeden!) Tag Reis, Dal, Chapati und irgendein zerkochtes aber würziges Gemüse gegessen.

Indien // Das Haus vom Koch

Wir sind viel Taxi gefahren, auch mal Motor-Riksha und haben im Schlafwagen übernachtet, wir haben Spinnen gejagt, Schlangen, Affen und Kühe gesehen, einen indischen Verkehrsunfall gehabt (ein kleiner Rums, riesen Geschrei) und versucht Alkohol zu kaufen. Das auch geschafft, mich aber nicht getraut, ihn auch zu trinken 😉

Das alles an 12 von 14 Tagen als einzige Westler weit und breit.

Nicht selten wurden auch wir fotografiert nachdem wir auf den Auslöser gedrückt hatten. Herrlich!

> Begebt euch in die Nähe von Kraftorten!

Klar ist der Ganges auch einfach nur ein Fluss. An vielen Stellen noch nicht einmal ein wirklich schöner Fluss. Aber wenn man dann plötzlich direkt drin steht oder erlebt, welche Bedeutung er für die Menschen hat die dort hinpilgern, dann wird man doch ganz demütig. Alle Orte, kleine Kapellen, große Tempel, die wir auf den Spuren großer Yogameister besucht haben, waren durchdrungen von dieser Kraft und Spiritualität, die ich tief gespürt habe; auch ohne gläubige Hinduistin zu sein.

Unsere erste Erfahrung mit den spirituellen Ritualen der Menschen die dort leben, sammelten wir gleich am ersten Tag in Haridwar. Ein perfekter Einstieg. Eine Puja am Ganges, für mich eine Art „Willkommens-Ritual“: Ein Priester betete für uns, wir warfen verschiedene Opfergaben in den Ganges, badeten unsere Füße darin, bekamen ein Bändchen um das Handgelenk und Farbe an die Stirn. Ich habe kein Wort von dem verstanden, was er da rasend schnell gebetet bzw. gesungen hat, fühlte mich am Ende aber irgendwie gesegnet und bereit für mein Indien-Abenteuer.

Indien // Tempel

Pujas hatten wir noch einige in unterschiedlichen Tempeln. Eine war sogar ein bisschen unheimlich, weil sich so viele Menschen um uns scharten, um auch einen Segensgruß des Priesters zu bekommen oder den heiligen Ort einmal selbst zu berühren. Highlight aller Zeremonien war das Lichterfest am Ufer des Ganges in Rishikesh, einer Yoga-Hochburg mit unzählig vielen Ashrams. Unbeschreiblich schön.

Der Ort der mir am meisten Fragen mitgegeben hat: Der buddhistische Tempel einer tibetanischen Kolonie in Dehradun (Die sind sogar auf Facebook!). Ganz anders, aufgeräumt, still, unaufdringlich.

> Es ist alles eine Frage des Soundtracks!

Ich habe mir im Zuge meiner Reisevorbereitungen wirklich lange überlegt, welche Bücher ich mitnehme und welche Musik oder welche Hörbücher ich mir auf mein Handy lade. Schließlich will man sich ja  nicht plötzlich zu Tode langweilen in der Einöde des Himalayas. Haha, ich lach mich tot. Denn kaum kommt man da an, hat man ihn schon: Den idealen Indien-Soundtrack. Die Städte und Dörfer sind laut. Auf den Straßen vibriert der Sound.

Es wird zum Beispiel bei jeder Gelegenheit gehupt: Wenn man näher ranfährt an ein anderes Auto, wenn man überholen möchte, während des Überholens und auch wenn man überholt wird oder den Überholvorgang von ganz anderer Stelle beobachtet. In jedem Taxi geben im Radio jeweils eine indische Frau und ein indischer Mann ihr gemeinsam Bestes. Die dortigen Charts scheinen ausschließlich aus Duetten zu bestehen. Wer will sich denn da die Stöpsel mit Radiohead oder Hellsongs in die Ohren stecken?

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Und in den Bergen hat man den Soundtrack auch: Stille – Zirpen – Stille – Zirpen. Und wer konnte denn ahnen, dass das Haus in den Bergen, in dem wir unsere zweite Woche verbrachten, über eine kleine aber feine Bibliothek zum Thema Yoga verfügt und wir sogar aus einem sehr spannenden Buch, der Bhagavad Gita vorgelesen bekommen. Diese gemeinsamen Lesungen und die philosophischen Gespräche danach waren besser als jeder Roman, den ich hätte mitnehmen können und beschäftigen mich heute noch.

> Das A und O ist die perfekte Reisebegleitung!

Genau so wenig, wie ich wusste was genau mich auf dieser Reise erwartet, wusste ich, wer die anderen Teilnehmer sein würden. Angemeldet hatte ich mich alleine. Klar war im Vorfeld nur, dass es sich um eine kleine Reisegruppe handeln würde. Am Ende waren wir nur zur viert und ich hätte mir das nicht schöner vorstellen können.

Ute, du beste Zimmergenossin der Welt, mit dir könnte ich noch tausend fremde Länder bereisen. Wir ticken in so vielerlei Hinsicht gleich, ich sage nur: geteiltes Leid, doppelte Freude.

Und Uta die Sportskanone, die mir beigebracht hat was eine „Krähe“ von einer „Angeber-Krähe“ unterscheidet, stapfte mit ihrer Tochter Frieda durch dieses fremde Land, als wären sie nie woanders gewesen.

Meinen Hut ziehe ich mit der größten Verneigung vor Frieda, die mit ihren 11 Jahren dieses Land gebändigt hat, wie keine andere. Du hast mir immer wieder gezeigt, wie das geht: neugierig sein, genau hinsehen, Fragen stellen und die besten Selfies machen 😉

Ich habe gelernt, dass mein Yogalehrer nicht einfach nur ein Yogalehrer ist, sondern viel mehr als das: ein Organisator, ein Reiseveranstalter, ein wandelndes Lexikon, ein Aufpasser und mit seinem Haus im Himalaya schon fast ein halber Inder.

Das kann man besser nicht machen!

Indien // Zug

Last but not least Dipu: der beste indische Reisebegleiter, den man sich wünschen kann – und nebenbei ein hervorragender Koch.

Hach, ich vermisse euch.

> Die magischste Kulisse passt auf kein Foto!

Noch gespannter als auf das Land Indien, die Wurzeln des Yoga und den Erlebnissen dort war ich eigentlich auf mich selbst vor so einer völlig anderen Kulisse. Und was soll ich euch sagen: Man fühlt sich ja schon irgendwie anders wenn man um sich herum so viele heilige Plätze spürt.

Indien // Tempel beim Baum der Erkenntnis

Der Himmel ist einfach ein ganz anderer in Indien, und die Berge, ach da weiß ich gar nicht wie ich das beschreiben soll. Wenn ich meine Bilder anschaue, muss ich schmunzeln. Denn ich habe versucht mit unzähligen Fotos nicht nur das Bergpanorama einzufangen, sondern auch diese Stimmung in mir. Aber das Gefühl vor so einem erhabenen Stück Natur zu stehen kann man nicht in Fotos und auch nicht in Worte fassen. Meine Tochter nennt so etwas immer „magisch“ und ich denke das trifft es ganz gut. Der Sonnenaufgang auf der Dachterrasse des Hauses mit dem leckersten aller Ingwerwasser in der Hand. Die sternenklare Nacht in der ich das Gefühl hatte, ich könne die Sterne berühren, wenn ich mich nur ein wenig mehr strecke.

Ich habe dort zum ersten Mal die Milchstraße mit bloßem Auge sehen können. Und die vielen Berghänge, die wir rauf und runtergestiegen sind, haben sich auch in mein Hirn gebrannt und bleiben da zusammen mit allen anderen schönen Bildern dieser Reise hoffentlich auch noch eine Weile.

> Nehmt so viel wie möglich mit nach Hause, und damit meine ich nicht nur Souvenirs!

Ich habe heute erst einen tollen Satz gehört:

„Reich ist, wem’s reicht.“

Zwei Wochen waren nicht lang, aber ich war am Ende so voll von allem, dass es genau die richtige Dauer für meine Reise war. Es ging einfach nicht mehr rein.

Und dann steht man plötzlich wieder da, in seinen eigenen vier Wänden. Alle daheim gebliebenen wollen wissen wie es war, möchten am liebsten gleich alle Fotos sehen und beäugen einen von oben bis unten, um vielleicht zu erkennen, ob man jetzt gleich zum Hinduismus oder Buddhismus konvertiert ist, oder ob man nur mal kurz heim gekommen ist, um das Wichtigste zu holen und dann wieder auf unbestimmte Zeit in einem indischen Ashram zu verschwinden. Dann packt man irgendwann sein Täschchen aus, verteilt die mitgebrachten Geschenke und fängt an zu erzählen.

Indien // Rishikesh

Das, was man aber wirklich mitgenommen hat, merkt man erst später:

Die Antworten eines alten weisen Mönches namens Swami Nirgunananda, den wir nach einem Marsch von fast drei Stunden in seiner Residenz im Himalaya treffen durften. Es waren seine Antworten auf unsere Fragen nach unseren eigenen spirituellen Wegen und wie wir sie noch besser würden gehen können. Diese Antworten trage ich jetzt in meinem Herzen, und zwar dorthin, wo ich hingehöre: nach Hause.

> Manchmal muss man eben sehr weit reisen, um zu wissen wo man hingehört!

Linkliste

Bücher, die ich vorab gelesen habe …

Bücher, die ich jetzt lese …


[ursprünglich veröffentlicht auf last-voice.de]

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